Das Internet kennt ihr wahrscheinlich. In diesem Internet gibt es Foren. Foren wurden erfunden, damit wir alle das Internet, das eigentlich ziemlich super ist, nicht mehr ganz so super finden. Ist also fast wie die Kommentarfunktion unter Online-Artikeln, nur schlimmer.
Obwohl ich schon recht lange in diesem Internet unterwegs bin, liegt mein erster Forenbesuch noch gar nicht so lange zurück. Etwa eineinhalb Jahre. Zu diesem Zeitpunkt spazierte ich nämlich in ein Tierheim, suchte mir das allergestörteste & hasserfüllteste Katerchen von allen heraus und trabte fröhlich mit ihm nach Hause, wo ich dann mehrere Tage eine knurrende Pfote unter dem Schrank fütterte. Aber hey, ich hatte endlich ein Haustier.
Da sich meine Katzenerfahrung zu diesem Zeitpunkt auf Haus- und Hofhaltung von psychisch nicht gestörten Kätzchen beschränkte, wollte ich mich natürlich ausgiebig informieren, um Kater 1 eine schöne Rentenzeit zu bescheren. Er ist nämlich nicht nur gestört und hasserfüllt, sondern auch alt. In meinem jugendlichen Leichtsinn hielt ich eine Ansammlung von Katzenfreunden mit langjähriger Katzenerfahrung für einen guten Anlaufpunkt bei Katzenfragen und landete in einem Katzenforum.
Das Forum betreten habe ich mit dem Ziel, ein gutes Futter für den Gruffelopa zu finden. Schließlich sollte er noch lange und gesund leben. Das Forum verlassen habe ich mit der felsenfesten Überzeugung, dass man Katzen nur mit frisch geschlachtetem Kobe-Rind füttert und außerdem höchstens halbtags arbeitet, damit genug Zeit für die Katzenbespaßung bleibt, und ich sowieso ein ziemliches Monster bin, weil man Katzen nicht in Großstadtwohnungen hält, sondern höchstens in 10er-Rudeln auf Bauernhöfen.
Nach mehreren Wochen, in denen ich mich wirklich bemühte, eine gute Katersklav..halterin zu sein, nahm Kater 1 mich kurz zur Seite (Wir hatten mittlerweile ein etwas besseres Verhältnis.) und bat mich, ihm fertiges Essen und nicht den Rohscheiß zu geben und außerdem soll ich doch bitte endlich den verdammten Clicker vernichten und die dumme Plüschmaus mochte er eh nie und er will wirklich einfach nur dekorativ auf der Sofalehne liegen. Außerdem löschte er meinen Account im Katzenforum und wir lebten fortan friedlich zusammen.
Kater 1 beim Löschen meines Accounts.
Man könnte meinen, dass mich diese Erfahrung für immer aus Foren jeder Art vertrieb. Aber..oops, I did it again. Ich betrat ein Hundeforum.
Mitglieder von Hundeforen kann man ganz grob in diese Gruppen einteilen:
1. Der Neuling
Will unbedingt einen Border Collie (Arbeitslinie. Showlinie ist was für Mädchen.), weil er Schweinchen Babe gesehen hat. Ausgelastet wird der Hund auf jeden Fall. Nach der Schule geht’s schließlich zum Bällchenfangen in den Park. Eröffnet seinen ersten Thread zum Thema „Wie überzeuge ich meine Eltern von einem Hund?“. Verlässt das Forum weinend und traut sich nie wieder in die Nähe von Hunden.
2. Der informierte Neuling
Weiß, was er will, und kennt alle Eigenarten seiner Wunschrasse. Arbeitet nur halbtags und hat die Hundebetreuung auch sonst minutiös geplant und abgesichert. Steht seit Monaten in Kontakt zu Züchtern, besucht Seminare zur Verhaltensforschung und hat schon Futternäpfe mit dem Namen des Wunschhundes gravieren lassen. Verlässt das Forum weinend und traut sich nie wieder in die Nähe von Hunden.
3. Der Tierschützer
Verfolgt das edle Ziel, jeden Tierschutzhund der Welt zu vermitteln. Wirft in jede noch so abwegige Situation Links zu noch nicht vermittelten Tieren. („Die Amy hat seit ein paar Wochen schlimmen Durchfall.“ „Ja, schön. Guck mal, der Franz sucht noch ein Zuhause.“)
4. Der „Ein Hund ist nichts für dich“
Meine Lieblingskategorie. Lebt offensichtlich immer auf abgeschiedenen Bauernhöfen, umgeben von ozeangroßen Feldern und Wiesen. Die „Ein Hund ist nichts für dich“ sind 20 Stunden am Tag mit ihren Hunden in der freien Natur. Sie clickern, agilitien, obediencen, dogdancen und mantrailen was das Zeug hält. Die restlichen 4 Stunden verbringen sie damit, ihre Hunde zu füttern – wahlweise mit frisch zubereiteten Delikatessen oder einem im Wohnzimmer ausgesetzten Huhn. Filou muss schließlich seine Instinkte ausleben dürfen. Paradox ist, dass die „Ein Hund ist nichts für dich“ trotzdem noch Zeit finden, um das Forum nach Beiträgen von Neuling und Informierter Neuling zu durchforsten, um anschließend in mühevoller Kleinarbeit den lang gehegten Hundewunsch zu zerhacken. „Ein Hund ist nichts für dich“ kennt jede Rasse der Welt und weiß, dass 99,9% aller Hunderassen nicht für Neuling und Informierter Neuling zu empfehlen sind. Weil sie zu schwer zu erziehen sind, weil sie zu viel Zeit beanspruchen, weil sie „eine starke Hand“ brauchen, weil sie nicht in eine Wohnung gehören. Mit etwas Glück und wenn Neuling und Informierter Neuling sich wirklich im allerbesten Licht präsentiert haben, erlaubt „Ein Hund ist nichts für dich“ ihnen aber mehrere Jahre freiwilliger Gassihilfe im Tierheim und die Haltung eines Plüschhundes. Danach könnte man ja immer noch über einen Goldhamster oder so reden.
5. @StereoSushisu
Hat 2 Shiba Inu.* 2 Mädchen („Wenn die beide groß sind, beißen die sich tot!“), 6 und 12 Monate alt („Wenn der eine Hund nicht schon viel älter ist, wenn der Welpe ins Haus kommt, beißen die sich tot.“).
Hund 1, weiß nicht, dass Shiba Inu kein Wasser mögen und verbringt Waldspaziergänge bevorzugt damit, in Schlammpfützen zu liegen. Springt mittlerweile nicht mehr jeden Menschen, dem wir begegnen, fröhlich an, sondern nur noch hell gekleidete ältere Damen, die Hunde nicht besonders mögen („Du hast deine Hunde nicht im Griff!“). Ihr Freilaufgassiradius beträgt „Mein Mensch ist noch im selben Bundesland – also alles okay“ Meter („Du hast deine Hunde nicht im Griff!“). Sammelt Plüschhasen und begutachtet ihre angesabberte Sammlung bevorzugt auf dem frisch gereinigten Sofa.
Hund 2, wurde von Satan verbannt, weil der sie etwas zu anstrengend fand. Nagte wochenlang an Wänden, Möbeln und den Katern („Du hast deine Hunde nicht im…bla bla hatten wir schon). Jetzt hat sie zum Glück andere Hobbies. Eichhörnchen jagen und sich mit fünffach größeren Hunden anlegen zum Beispiel. Nuckelt beim Schlafen an ihrer Pfote. Schläft beim Autofahren sofort ein und liegt auch nach einer 10-minütigen Fahrt bereits in einer riesigen Sabberpfütze.
Manchmal lasse ich meine Hunde 5 Stunden allein. Manchmal sogar 6 Stunden. Und ich habe dabei nicht mal ein schlechtes Gewissen, weil ich nämlich vorher zwei Stunden mit Ihnen durch den Wald gerannt bin, Stöckchen aus Pfützen gefischt habe und auf Baumstammhaufen geklettert bin, weil Hund 2 sich zwar rauf aber nicht mehr runter traute. Und weil ich 17 Uhr zuhause bin, damit wir pünktlich 17:30 im Park bei unserem Date mit Dogge Möppi sind. Und weil ich trotzdem noch 18 Stunden am Tag Zeit habe, um meine Hunde mit Liebe und Käsewürfelchen zu überschütten.
Ich füttere meine Hunde manchmal roh und kreische dabei ganz angeekelt. („Wer Hunde hält, muss da eben durch. Sonst hol dir ein Meerschwein.“) Manchmal bekommen Sie aber auch Dosenfutter. („Roh- und Fertigfutter darf man niemals mischen. Sonst bekommen die ganz schlimme Verdauungsprobleme.“) Meine Hunde sind in der Wohnung immer bei mir und meinen Schreibtischstuhl kann ich nur bewegen, nachdem ich vorher kontrolliert habe, ob ich auch wirklich kein Öhrchen überrolle. („Das machen die, weil sie dich kontrollieren und zuhause keine Ruhe finden.“) Wir liegen zusammen im Bett und auf dem Sofa und manchmal bekommen sie ein Stück von meinem Käsebrot. („So lernen die nie, dass sie sich unterordnen müssen.“) Ich halte Erziehung durch Unterordnung und seltsame Beschwichtigungstänzchen für absoluten Humbug und mache auch sonst alles falsch, was man als Hundehalter nur falsch machen kann.
Und manchmal schreibe ich heimlich den weinenden Neulingen eine Nachricht, in der steht, dass sie sich verdammt noch mal einfach einen Hund holen sollen, weil Hundehaltung kein zwanzigjähriges Studium, sondern nur ein paar passende Rahmenbedingungen, Geduld und Liebe erfordert. Und erwähnte ich Geduld? Geduld braucht man nämlich. Und Geduld.
*[Rasseportrait in Kurzform: Nein. Einfach nein. Hier, ein Hundebuch. Such dir eine andere Rasse aus.
Rasseportrait in Langform: Nein. Einfach nein. Hier, ein Hundebuch. Such dir eine andere Rasse aus. Die sind nichts für Anfänger. Die sind für niemanden was. Ganz territoriale, sture Biester. Oft bissig. Ohne Leine kann man die gar nicht laufen lassen. Die haben einen Jagdtrieb und wenn sie weglaufen, ziehen dunkle Wolken auf, sie rotten sich in Gruppen zusammen, übernehmen die Regierung und dann geht die Welt unter und Babykatzen sterben. So sind sie halt, die japanischen Rassen. Hast du dir schon eine andere Rasse ausgesucht? Labradore sind doch ganz süß.]